Wir wurden zu mehreren Gelegenheiten um eine Stellungnahme zur Verwendung des Isoliergases SF6 gebeten. Das möchten wir hiermit gern tun.
Das Gas rückt regelmäßig in den Fokus der Öffentlichkeit, zuletzt nach einem Beitrag der ARD vom August 2022 (Quelle 1). Im Beitrag wird auf die Verwendung von SF6 in Windkraftanlagen Bezug genommen. Die Autoren geben an, dass sie nur über ungenaue Daten verfügen, weshalb wir hier aus unseren Erfahrungen berichten möchten und offizielle Daten z.B. vom Umweltbundesamt einbeziehen.
SF6 (Schwefelhexafluorid) ist ein farb- und geruchloses, ungiftiges und nicht brennbares Gas, das wegen seiner besonderen Eigenschaften als Isoliergas breite Verwendung vor allem in elektrischen Schaltanlagen findet (siehe auch Quelle 2). Brände und Kurzschlüsse werden damit vermieden. Bis vor wenigen Jahren gab es kaum Alternativen, weshalb ein sehr hoher Anteil der Mittelspannungsschaltanlagen unseres öffentlichen Stromnetzes – also keineswegs nur in Windenergieanlagen – damit ausgestattet sind.
Aufgrund seiner chemischen Beschaffenheit ist SF6 ein Treibhausgas, das 23.500 mal stärker wirkt als CO2. Es ist damit das am stärksten wirkende Treibhausgas überhaupt. Deshalb ist die Nutzung auch für alle Anwendungsfälle außer in Schaltanlagen seit 2014 EU-weit verboten. In einer Pressmeldung der Europäischen Kommission vom April 2022 ist darüber hinaus zu lesen: "So wird beispielsweise bis 2031 die Verwendung von SF6, dem stärksten Treibhausgas, in allen neuen elektrischen Übertragungseinrichtungen ("Schaltanlagen") schrittweise verboten werden." (vgl. Quelle 3)
Bereits im Jahr 2000 wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der deutschen Wirtschaft eine Vereinbarung zur Klimavorsorge getroffen, im Rahmen derer das Ziel formuliert wurde, SF6-Emissionen zu minimieren. Seitdem sind die Emissionen deutlich zurückgegangen (Quelle 4).
SF6-isolierte Schaltanlagen kommen auch in praktisch allen an Land errichteten Windkraftanlagen zum Einsatz. In jeder Anlage werden je nach Typ ca. 3kg davon verwendet.
Es werden technisch alle notwendigen Maßnahmen getroffen, dass das Gas in den Windkraftanlagen verbleibt. Nicht nur aus Umweltschutzgründen, sondern auch wegen der Betriebssicherheit. Entweicht Isoliergas, treten zwangsläufig Kurzschlüsse in den Schaltanlagen auf und es wird kein Strom produziert! Im Rahmen der Recherche zu diesem Beitrag, hat unsere technische Betriebsführung folgende Zahlen bereitgestellt: "Von unseren ca. 500 Anlagen, welche z.T. seit 2004 in Betrieb sind, gab es bisher an 4 Problemen in Zusammenhang mit SF6."
Nehmen wir einmal den schlimmsten Fall an: die kompletten 3kg SF6 entweichen aus einer Anlage, z.B. durch unsachgemäßen Rückbau der Anlage nach 20 Jahren Betriebsdauer. Da SF6 23.500x stärker wirkt als CO2, ergibt das eine Verschmutzung von 71 Tonnen CO2e (CO2-Äquivalent).
Je geplanter Anlage werden ca. 18GWh Strom pro Jahr erzeugt werden. Bei einer geplanten Laufzeit von 20 Jahren ergibt das 360GWh.
Die Erzeugung von Strom durch Windkraft an Land (Onshore) spart gegenüber dem bundesdeutschen Strommix laut Umweltbundesamt 772g CO2e pro kWh (vgl. Quelle 5, Seite 37).
Auf 20 Jahre sparen wir damit pro Anlage ca. 277.920 Tonnen CO2e.
Wenn es also zu einem vollständigen SF6-Austritt käme (was wie erwähnt sehr unrealistisch ist), verringert sich die Einsparung CO2e um 0,026%.
Wann kann es zu einem SF6-Austritt kommen? Während des Betriebs einer Anlage ist eine Leckage grundsätzlich mögliche, technisch aber sehr unwahrscheinlich. Wie oben dargestellt, würde das recht schnell durch die technischen Betriebsführer erkannt werden. In der Branche ist allgemein anerkannt, dass besonders der Rückbau von Schaltanlagen kritisch ist für die SF6-Sicherheit. Unser aktuell geplanter Anlagenlieferant Vestas hat das (wie auch andere Anlagenlieferanten) ebenfalls erkannt und zusätzlich zu den bereits vorhandenen strengen behördlichen Auflagen die sichere Rückgewinnung von SF6 in seine Nachhaltigkeitsstrategie aufgenommen (vgl. Quelle 6).
Es ist müssig darüber zu diskutieren, warum (zumindest bei Onshore-Windkraftanlagen) noch keine SF6-freien Anlagen verfügbar sind. Der Klimanutzen einer Windkraftanlagen überwiegt weiterhin aus Sicht des Treibhauseffektes um ein Vielfaches der Möglichkeit eines vollständigen SF6-Austritts. Wir halten trotzdem die Augen offen und sind im Gespräch mit unseren Zulieferern, um auch bei diesem Thema so klimafreundlich wie möglich zu arbeiten. Zumindest von Vestas liegt uns eine schriftliche Stellungnahme vor, dass an SF6-freien Alternativen gearbeitet wird.
Quelle 1: ARD (Treibhausgas SF6 - Klimakiller in Windkraftanlagen)
Quelle 2: Wikipedia (Schwefelhexafluorid)
Quelle 4: Umweltbundesamt (Fluorierte Treibhausgase und FCKW/ Schaltanlagen)
Quelle 5: Umweltbundesamt (Emissionsbilanz erneuerbarer Energieträger 2020)
Quelle 6: Vestas (Vestas Wind Systems A/S - Climate Change 2021)